Wegweiser für Betroffene - damit die Gewalt aufhört

Sie trennen sich mit Kindern und haben Gewalt erlebt? Leider ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf eine gewaltvolle Beziehung Nachtrennungsgewalt folgt, relativ hoch. Die Gewalt kann sich nach der Trennung also fortsetzen oder sogar intensivieren. Partnerschaftsgewalt schließt psychische, körperliche, digitale, finanzielle und sexualisierte Gewalt mit ein.
Ist der gewalttätige Ex-Partner auch Vater der gemeinsamen Kinder, gibt es weitere Risiken: Oft wird Partnerschaftsgewalt nach der Trennung auch über Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten ausgeübt. Die daraus entstehenden familiengerichtlichen Verfahren können kostspielig und zermürbend sein. Darunter leiden auch die Kinder.
Risiko durch institutionelle Gewalt
Hinzu kommt, dass Behörden und Institutionen, wie das Jugendamt, die Polizei, Familiengericht und Erziehungsberatungsstellen oft nicht ausreichend für das Thema Partnerschaftsgewalt ausgebildet und sensibilisiert sind. An diesen Stellen besteht das Risiko, dass gewaltbetroffene Mütter diskriminiert werden. Es kann auch zu institutioneller Gewalt kommen, wenn beispielsweise dem Vater Glauben geschenkt wird und nicht der Mutter, häusliche Gewalt ausgeblendet wird, oder wenn nicht nachvollziehbare Vorwürfe gegen die Mutter von Seiten der Institutionen ausgesprochen und im Verfahren zu ihrem Nachteil verwendet werden.
Deshalb geben wir hier einen kurzen Überblick dazu, wie man sich am besten vor weiterer Gewalt des Ex-Partners, aber auch der von Behörden und Institutionen schützen kann.
Die sieben Schritte aus der Gewalt
Wichtig: Jede Frau, die sich aus einer gewalttätigen Beziehung trennt, hat ihre ganz eigene Geschichte, einen anderen Hintergrund und individuelle Erfahrungen. Es gibt nicht DIE Frau, die betroffen ist. Aber JEDE Frau kann betroffen sein.
1. Dokumentation und Beweissicherung von weiter auftretender Gewalt
Am besten sichert man Beweise durch Fotos, Gutachten von ÄrztInnen, Spurensicherung in Gewaltschutzambulanzen, Screenshots von Chatverläufen etc. Gewaltschutz seitens der Behörden erfolgt nur dann, wenn die erfolgte Gewalt auch nachgewiesen werden kann. In einem möglicherweise später erfolgenden familiengerichtlichen Verfahren können solche Beweise genutzt werden, um begleiteten Umgang oder Umgangsausschlüsse zu erwirken und sich gegen das gewaltvolle Vorgehen des Ex-Partners bei Behörden und Institutionen zu schützen. Bei der Dokumentation ist es wichtig Datum und Uhrzeit festzuhalten und auf Einzelfälle einzugehen.
2. Beratung und Hilfesystem
Es ist hilfreich eine Beratungs- oder Interventionsstelle für häusliche Gewalt hinzuzuziehen. Dort besteht auch Expertise zu Nachtrennungsgewalt und familienrechtlichen Vorgängen. Die nächste Anlaufstelle kann beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 116 016 in Erfahrung gebracht werden, das rund um die Uhr und in vielen Sprachen verfügbar ist. Auch der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland (bff) bietet eine Suchfunktion für Frauenberatungsstellen an. Vorsicht ist beim Kontakt zu Erziehungsberatungsstellen geboten, die nicht auf Partnerschaftsgewalt spezialisiert sind. Hier gibt es eine Vielzahl von Trägern, die u.a. auch dem Jugendamt anhängig sein können. Auch bei diesen Stellen kann es zu Diskriminierung kommen. Die bessere Expertise bieten in der Regel auf Gewalt spezialisierte Fachberatungsstellen.
3. Anzeigenstellung
Es kann sinnvoll sein bei der Polizei eine Anzeige zu stellen. Das können Sie bei jeder Polizeidienststelle tun. Leider verlaufen die Verfahren bei der Polizei nicht immer sensibel ab. Bei der Anzeigenerstattung kann man sich aber von einer Vertrauensperson und/oder einem Rechtsbeistand begleiten lassen. Viele Polizeidirektionen haben außerdem Spezialbeamte für häusliche Gewalt bzw. Opferschutzbeauftragte. In diesen Fällen sind die BeamtInnen zumindest für das Thema geschult. Eine Anzeige kann hilfreich sein, weil bei anderen Behörden (Jugendamt, Jobcenter, Familiengericht) Polizeianzeigen meist als Nachweis für die Glaubhaftigkeit einer Aussage gelten. Neben persönlichen Anzeigen gibt es auch die Möglichkeit, die Onlinepolizeiwache zu nutzen und Anzeigen online aufzugeben.
4. Rechtlicher Beistand
Je nach Fallkonstellation kann es von Vorteil sein eine Rechtsanwältin hinzuzuziehen, die auf Familienrecht und am besten auf Fälle des Gewaltschutzes spezialisiert ist. Grundsätzlich können Familienrechtsverfahren aber auch ohne Rechtsanwältin bestritten werden. Bei einem niedrigen Einkommen, kann ein Beratungshilfeschein beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden. So können Betroffene zumindest eine kostenlose Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Falls ein Prozess notwendig ist, ist die Beantragung von Prozesskostenhilfe gemeinsam mit dem/der RechtsanwältIn möglich.
5. Fachliche Begleitung beim Jugendamt
Bei Gesprächen beim Jugendamt ist eine fachliche Begleitung anzuraten. Es kann sehr schwer sein die eigene Gewaltbetroffenheit anzusprechen. Leider besteht auch die Gefahr, dass MitarbeiterInnen des Jugendamts Berichte häuslicher Gewalt nicht ernst nehmen. Sie argumentieren dann, dass Gewalt zwischen den Eltern ja nicht das Kind betreffe. Das ist natürlich falsch, da Partnerschaftsgewalt immer auch die Kinder mitbetrifft. Hier kann ein Beistand sinnvoll sein. Zudem können Betroffene um DolmetscherInnen und auch Einzelgespräche ohne Beisein des Mannes bitten. Es kann hilfreich sein sich über die Rechte und Pflichten von Jugendämtern zu informieren.
6. Austausch und Therapie
Um durch die weiterführende Gewalt nicht isoliert zu werden, hilft es, sich anderen anzuvertrauen. Austausch hilft auch als emotionale Entlastung, vor allem, wenn auch von auf Seiten der Behörden und Institutionen strukturelle Gewalt erfahren wird. Wenn es die Möglichkeiten und Kapazitäten dazu gibt, kann eine psychotherapeutische Unterstützung sinnvoll sein. Auch die Kinder sollten in soziale Zusammenhänge eingebunden sein sowie professionell begleitet werden. Sie haben die häusliche Gewalt in der Vergangenheit miterlebt und/oder spüren auch jetzt noch die eigenen Ängste oder die der Mutter. Sollte sich die Suche nach einem Therapieplatz als schwierig erweisen, können Online-Angebote wie OBEON (Orientierungshilfe und Beratung Online für Menschen in seelischen Belastungssituationen) eine gute und sinnvolle Überbrückung sein. Dort kann man sich von Fachkräften oder von anderen Betroffenen begleiten lassen.
7. Informieren
Auch wenn es anfangs überfordernd sein kann, ist es ratsam sich selbst über die zugrundeliegenden Vorgänge, die eigenen Rechte, sowie die Rechte und Pflichten der Behörden und Institutionen zu informieren. Viele Betroffene werden mit der Zeit zu ExpertInnen. So kann man selbst die eigene Lage am besten einschätzen und navigieren. Auch die Vernetzung und der Austausch mit anderen Betroffenen kann hilfreich sein. Es gibt Facebook-Gruppen und Foren für Betroffene.
Kostenfreie Informationen, sowie praxisorientierte Trainings zur Konfliktbewältigung und Entscheidungsfindung für Eltern in Krisen oder in Trennung bietet die Online-Plattform STARK. Die Inhalte der Plattform wurden von rund 800 Beratungsfachkräfte aus ganz Deutschland zusammengestellt. „STARK – Streit und Trennung meistern: Alltagshilfe, Rat & Konfliktlösung“ wird vom Deutschen Jugendinstitut im Auftrag des Bundesfamilienministeriums betrieben und bietet auch Informationen für Gewaltbetroffene.
Hilfe bei akuter Gewalt
Bei akuter Gewalt kann nur die Polizei helfen, erreichbar unter 110. Falls die Bedrohung wieder wächst, können Betroffene mit ihren Kindern Schutz in einem Frauenhaus finden. Freie Plätze findet man zum Beispiel hier.