• 27.04.2025

Freiheit im Herzen - Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein

Berlin, 26.02.2025, der Debutfilm Freiheit im Herzen von Roxana Samadi feierte im Moviemento Kino seine Berlin-Premiere. Der eindringliche und berührende Dokumentarfilm wurde in Kooperation mit der little dream pictures, Seebrücke, Amnesty International und TERRE DES FEMMES gezeigt.

Der Film porträtiert die FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung im Iran und die Proteste in Deutschland innerhalb der Diaspora. Der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 löste eine noch nie dagewesene feministische Revolution aus. Ethnien-, Schichten-, Alters- und Provinzübergreifend gab es täglichen Widerstand. Die junge Frau starb nach dem SittenwächterInnen sie in Teheran wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen und geschlagen haben. Der staatliche Verhüllungszwang kostete schon vor ihr vielen Frauen das Leben. Ihr Tod war der Funke in einem langen brodelnden Pulverfass.

Auch in Deutschland und anderen westlichen Ländern löste die FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung eine noch nie dagewesene Solidarität und Zusammenhalt aus. Viele Exil-IranerInnen, die in den 1970er-Jahren vor dem Regime im Iran geflohen sind, zeigten ihren Protest - aber auch Deutsch-IranerInnen der zweiten Generation wie Roxana Samadi, die zuvor nicht politisch aktiv waren.

Roxanas verlorenes Paradies

Für Menschen ohne Irankenntnisse ist es nicht vorstellbar wieviel Kraft und Mut es auch in Deutschland benötigt, um auf die Straße gegen die islamistischen Mullahs zu gehen. Samadi nimmt die Zuschauenden als Regisseurin mit auf eine sehr persönliche Reise in ihre Vergangenheit. Als Kind empfand sie die Heimat ihres Vaters auf Familienbesuchen als Paradies. Im Film werden private Videosequenzen gezeigt und Samadis Stimme berichtet von ihren Gedanken. Ihr Vater, Ali Samadi Ahadi, drehte 2011 die regimekritische Dokumentation The Green Wave über die sogenannten grünen Proteste im Iran 2009. Die Konsequenz: Die Familie konnte nicht mehr in den Iran reisen. Roxana schildert wie sie als Kind dies als Verrat von ihrem Vater empfand und sie böse auf ihn deswegen war. Ihr Vater schildert, wie es ihn emotional belastete die Entscheidung – nicht mehr in den Iran reisen zu können, solange das Terrorregime an der Macht ist – und seiner politisch-aktivistischen Verpflichtung. Der Beerdigung seiner Mutter konnte er nicht bewohnen.  Dieses Schicksal teilen viele Familien mit iranischen Wurzeln. Bewusst nutzt das Regime seine perfiden Methoden der Einschüchterung und Spaltung.

Spalte und herrsche!

Eindrücklich und mit den persönlichen Erlebnissen und Empfinden einzelner Protagonistinnen wird die euphorische Stimmung ab Herbst 2022 von Samadis Kamera eingefangen, als zehntausende beispielsweise in Berlin zur Demo gegen das Unrechtsregime zusammenkamen. Das Ende des Regimes schien zum Greifen nah. In Panelgespräch nach dem Film erzählt Roxana sie dachte, ihre Bildaufnahme schaue sie sich gemeinsam im Flugzeug an, wenn die Verbündeten zurück in den Iran fliegen. Aber es kam anders. Die Islamisten schafften es – wieder einmal- durch brutale Unterdrückung, Willkür, Folter und Hinrichtungen, an der Macht zu bleiben. Die Diaspora ist politisch gespalten, erscheint zerrissen. Es gelang nicht genügend Druck aufzubauen, um das Regime zu Fall zu bringen. Frustriert äußern sich die Protagonistinnen, wie die Journalistin Natalie Amiri, die Schauspielerin Pegah Ferydoni, die Sängerin Jasmin Shakeri und die Frauenrechtsaktivistin Düzen Tekkal wie schiwerig es ist eine einheitliche Bewegung aufrechtzuerhalten. Trotz der Gespaltenheit und dem verschwindenden medialen Interesse, ist Resignation keine Option. Weder für die Menschen im Iran noch in der Diaspora. Der Film appelliert eindringlich an die Zivilcourage.

Steh Auf!

Im Anschluss an den Film, gab es ein Panelgespräch, moderiert von Pia Amofa-Antwi, sowie mit Regisseurin Roxana Samadi, den ProtagonistInnen Ozi Ozur und Jasmin Shakeri, Ilja Altvater (Schnitt), Dieter Karg von Amnesty International und Stephanie Walter, Referentin Gleichberechtigung und Integration bei TERRE DES FEMMES. Shakeri appeliert, dass zivilgesellschaftliches Engagement, insbesondere in Zeiten rechter Narrativer und Hetze, wichtiger ist denn je. Helfen und sich einsetzten kostet allerdings auch Kraft und verlangt persönlichen Einsatz. Sie berichtet, wie sie aktuell einen jungen, iranischen Mann privat hilft, obwohl sie gerade frisch verheiratet ist und eigentlich gerne in den Flitterwochen wäre. Er ist wegen Teilnahme an einer FRAU LEBEN FREIHEIT Demo im Iran verhaftet wurden. Er wurde gefoltert, erlitt beispielsweise einen Nasenbeinbruch und überstand drei Scheinhinrichtungen. Das iranische Regime wendet unterschiedliche Methoden an, um Menschen körperlich und seelisch zu brechen. Shakeri fordert das Publikum auf, ebenfalls gegen Ungerechtigkeiten aufzustehen und sich zu engagieren.

Die Revolution wird kommen

Die Moderatorin fragte Roxana Samadi, ob der Sturz Assads in Syrien im Dezember 2024 eine Inspiration für den Iran gewesen sei. Samadi erinnert an die Hoffnung im Iran und zitierte ihre iranische Tante, sie prophezeite Samadi per Telefon, sie wisse nicht wie, aber die Revolution wird passieren. Ozi Ozur fügte hinzu, dass das Herabziehen des Kopftuches früher und heute eine große Gefahr darstellt(e), aber Frauen weiterhin täglich Widerstand leisten, früher unvorstellbar und inzwischen Realität. Ozur erinnerte an die Studentin an der Asad-Universität, die sich im Herbst 2024 aus Protest gegen den staatlichen Verhüllungszwang bis auf die Unterwäsche auszog.

Wir sind alle miteinander verbunden

Freiheit im Herzen ist Samadis erster Film als Regisseurin. Zwei Jahre verzichtete sie auf Auftritte als Schauspielerin, um diesen Film zu drehen und zusammen mit Ilja Altvater über 1000 Stunden Videomaterial zu schneiden. „Wirst du weiterhin Filme machen?“, fragte die Moderatorin. Roxana Samadi bejahte die Frage, obwohl sie die Schauspielerei auch vermisse. Ihr sei wichtig, dass „wir uns suchen und uns finden“. Sie habe sich sehr lange davor gezögert, im Film vorzukommen. „Ich habe mich noch nie so vulnerabel gezeigt“. Doch ihr sei bewusst geworden, dass die persönliche und verletzliche Seite von ihr wichtig für den Film ist. Roxana Samadi wurde einmal gesagt, „Je spezifischer, desto universeller“ und genau das wollte sie mit dem Film erreichen: dass sich Menschen verbinden. „Denn wir sind alle miteinander verbunden. Es betrifft uns Alle. Es ist nur eine Welt“.

Keine Frau ist frei, solange eine Frau unfrei ist

TERRE DES FEMMES wie Amnesty International (AI) unterstützen die feministische FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung mit ihrer zivilgesellschaftlichen Arbeit. Dieter Karg von der Iran-Koordinierungsgruppe von AI appellierte an das Publikum sich zu solidarisieren. Wenngleich nicht messbar ist, wie sich ihre Arbeit konkret auswirkt, bewirken die internationale Appelle und Petitionen etwas. Viele inhaftierte Demonstrierende, für die AI Petitionen gestartet hat, sind mittlerweile wieder frei.

Die Hoffnung trägt uns“, so Stephanie Walter. Als deutsche Frauenrechtsorganisation agiert TERRE DES FEMMES als Schallverstärkerin für all diejenigen, die aus Angst um Familie und Freunde nicht selbst demonstrieren können. Denn auch in Deutschland unterhält das iranische Regime Spione und Agenten und kontrolliert social media Aktivitäten. Die Schließung des Islamischen Zentrum Hamburgs (IZH) war ein wichtiger – wenngleich längst überfälliger – Schritt. Genderapartheid-Systeme wie Iran und Afghanistan entrechten Mädchen und Frauen systematisch und strukturell. Wenngleich die Situation für AfghanInnen im Land selbst und in den Nachbarländern katastrophal ist, konnte zumindest innerhalb der EU soviel zivilgesellschaftlicher Druck ausgeübt werden, um das Asylrecht zu verbessern.  Im Oktober 2024 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Frauen in Afghanistan unsichtbar gemacht werden und nur aufgrund ihres Geschlechtes schwersten Menschenrechtsverletzungen unterliegen. Deswegen muss ihnen grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft und damit ein sicheres Bleiberecht gewährt werden. Diese Erkenntnis sollte auf weitere Länder ausgedehnt werden.

Mit viel Applaus endete die Kinoveranstaltung mit anschließender Paneldiskussion. Der eindrückliche Kinofilm zeigt, warum es sich trotz vieler Gefahren und Rückschlägen lohnt, sich für Freiheit und Frauenrechte einzusetzen.

Mehr zu unserer Arbeit:

nach oben
Jetzt spenden