• 03.10.2024

Kundgebung in Hamburg: AktivistInnen und Exil-IranerInnen stellen ihre Forderungen zur Zukunft des IZH

Mina Ahadi spricht bei der Kundgebung vor dem IZH sowie weitere Exil-IranerInnen und AktivistInnen

Am 03. Oktober, dem Tag, der für Demokratie und Freiheit steht, organisierte 2024 die Kulturbrücke Hamburg e.V., gemeinsam mit ihrer Initiative International Women in Power sowie Exil-IranerInnen eine Kundgebung vor dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH).

Hintergrund der Kundgebung: Wie geht es mit dem IZH und der Blauen Moschee weiter?

Seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet, erfolgte die Schließung des Islamischen Zentrum Hamburgs im Juli 2024 durch das Bundesinnenministerium als längst überfälliger Schritt. Der Leiter Mohammad Hadi Mofatteh wurde aus Deutschland ausgewiesen. Das IZH galt als Außenposten des iranischen Regimes, als Zentrum antidemokratischer und antisemitischer Propaganda und als Treffpunkt für Mitglieder von Terrororganisationen. Trotz der Freude besteht auch Angst vor der Zukunft: Wie geht es mit dem IZH und der Blauen Moschee weiter? Gelingt dem iranischen Regime die Wiedereröffnung und die Einflussnahme?

Ein neues interkulturelles Zentrum im Zeichen von JIN JIYAN AZADI

Obgleich Schließung und Ausweisung erfolgten, ist die Gefahr noch nicht vorüber, so Hourvash Pourkian von der Kulturbrücke Hamburg in ihren einleitenden Worten. Gegen die Schließung des IZH wird mobilisiert. Regelmäßig treffen sich Personen zum sogenannten Freitagsgebet vor der Straße. Diese Gebete sind in ersten Linien nicht religiös geprägt, sondern politisch instrumentalisiert. Sie nutzen Religionsfreiheit, um die iranische Propaganda zu verbreiten. So wurde um den getöteten Hamasführer Ismail Hanija in diesen sogenannten Freitagsgebeten getrauert. Die Anweisung zum Totengebet erfolgte aus dem Iran. Dies zeigt eindrücklich, durch die Schließung des IZH und der Blauen Moschee sind die Verbindungen zum islamistischen Regime nicht gekappt. Nach wie vor üben die Mullahs Einfluss aus.

Solange das islamistische Terrorregime im Iran an der Macht bleibt, sollte das IZH und die Blaue Moschee geschlossen bleiben. Dies verhindert, dass sie unter dem Deckmantel der Religion ihre extremistische Propaganda verbreiten. Exil-IranerInnen fordern, dass das ehemalige IZH durch das erste „Jina Mahsa Amini-Kulturzentrum“ ersetzt werden soll. Die Moschee soll in ein interkulturelles Zentrum umgewidmet werden, in dem die Werte der säkularen, freiheitlichen Demokratie auf Grundlage des Manifests FRAU LEBEN FREIHEIT vermittelt und gelebt werden. Pourkian machte einen historischen Rückgriff und erinnerte an die Gründungsgeschichte der Blauen Moschee, die offiziell Imam-Ali-Moschee heißt und wegen ihrer großen hellblauen Kuppel und den aufwendigen blauen Mosaikarbeiten Blaue Moschee genannt wird. In den 1960er Jahren wurde sie von iranisch-stämmigen Kaufleuten finanziert und gegründet und gilt damit als eine der ältesten Moscheen in Deutschland. Nach der gewaltvollen Machtergreifung der iranischen Theokraten im Jahr 1979 wurde das IZH und die Blaue Moschee von ihnen instrumentalisiert. Daher fordern die Exil-IranerInnen, dass auch sie in die politische Debatte zur Nachnutzung miteinbezogen werden.

Bedrohung weiterhin möglich

Die Eröffnungsrede hielt Dr. Kazem Moussavi. Er mahnt, selbst wenn das IZH geschlossen bleibt, weitere Akteure sind immer noch aktiv. So zum Beispiel das Al Mustafa Institut in Berlin und der Dachverband Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS). Der Verband wurde im Jahre 2009 im IZH gegründet – mit dem Anspruch fortan als Vertretung der schiitischen Glaubensgemeinschaften in Deutschland aufzutreten. Im Weiteren wies er auf die iranischen Raketenangriffe auf Israel sowie deren Terrorunterstützung für Hamas, Hisbollah und Huthi-Rebellen sowie die militärische Unterstützung für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hin.

Das Nichttragen des Hijabs hätte Ahadi bereits 1979 das Leben kosten können

Mina Ahadi, Gründerin und Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, weist in ihrer Rede nochmals auf die Signalwirkung der Schließung des IZHs hin. Ali Chamenei griff die Schließung des IZHs in einer Rede auf und verurteilte sie. Die Lebenswege von ihr und dem jetzigen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian kreuzten sich bereits wenige Zeit nach der Machtergreifung der Islamisten 1979. Ahadi studierte wie Peseschkian zu diesem Zeitpunkt Medizin. Dieser war einige Semester über ihr und Initiator eine Gruppe, die Studentinnen ohne Kopftuch auf dem Campusgelände ergriffen und sie anwiesen ein Kopftuch zu tragen. Einer seiner Gefolgsleute bedrohte Mina Ahadi sogar mit einer Pistole, weil sie kein Kopftuch trug. Terror, Folter und Tod brachten die Islamisten schnell an die Macht im Iran. Der Ehemann von Ahadi wurde einen Monat nach diesem Ereignis von den Islamisten ermordet. Ihren Machtanspruch begründen sie mit dem Islam. Wie weitere Exil-IranerInnen lehnt Ahadi ein Fortführen der Blauen Moschee ab. 

Gefängnisstrafe wegen öffentlichen Singens

Die Veranstaltung wurde musikalisch von der iranisch-stämmigen Sängerin Faravaz Farvadin begleitet. Sie lebt seit mehreren Jahren im deutschen Exil. Während sie ein Konzert in Berlin gab, teilte ihre Anwältin im Iran mit, dass Farvadin zu einem Jahr im berüchtigten Foltergefängnis Evin in Teheran verurteilt wurde. Dort hätten ihr Vergewaltigung und Folter gedroht. Sie performte wieder ihren Song „Mullah“. Vergangenes Jahr erzürnte der Song die Menschen im IZH so sehr, dass sie die deutsche Polizei anwiesen, Farvadin zu verhaften. Daher freute sie sich umso mehr, dass dieses Jahr das IZH geschlossen ist.

Von iranischen Sicherheitskräften angeschossen

Keavan Samedi und Ali Mesri haben im Herbst 2022 an den FRAU LEBEN FREIHEIT-Protesten im Iran teilgenommen und wurden dabei schwer verletzt. Ali Mersi hat dabei ein Auge verloren. Nun leben die beiden im Exil in Deutschland. Mersi berichtet, dass die iranischen Sicherheitskräfte ihn gezielt beschossen haben, weil er durch seinen Protest den „Islam in Gefahr gebracht hat“. Das Einzige, was er in Gefahr gebracht hat, ist die Machtstellung von Ali Chamenei. Dieser behauptet, dass Gott durch ihn sprechen würde. Er sei nicht gegen den Islam, sondern gegen den politischen Islam, der Terror, Unterdrückung und Hinrichtungen hervorbringt. Sein Appell: Im Interesse des Islams sollte die BefürworterInnen der Schließung des IZH und der Blauen Moschee unterstützt werden. Keavan Samedi nutzt seine Rede, um gegen die Genderapartheid in Afghanistan und im Iran zu protestieren. Bereits 1979 wurden die Frauen unterdrückt und in den häuslichen Bereich verwiesen. Diese Frauen erzogen allerdings Kinder, die jetzt der Albtraum des Regimes sind, und kämpfen selbst gegen die patriarchalen-religiösen Strukturen an. Die iranischen Frauen bewirkten durch die FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung, dass Frauen in anderen Ländern in der Region auch wieder mehr Selbstbewusstsein haben, um sich für ein freies und gleichberechtigtes Leben einzusetzen.  Daher ist die FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung der Albtraum aller Islamisten. Die Taliban in Afghanistan entrechteten die Frauen vollständig. Sie werden unsichtbar gemacht. Aus diesem Grund wünscht er sich, dass wir Hand in Hand an der Seite der afghanischen und iranischen Frauen und Demonstrierenden stehen.  

Politische Appelle: Missbrauch und Instrumentalisierung von Religionsfreiheit unterbinden

Der Politiker Christoph de Vries (CDU) und Stefan Hensel sendeten Videobotschaften. Hensel ist Beauftragter für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus in Hamburg. Der dritte Oktober ist zeitgleich auch der Tag des jüdischen Neujahrfestes. Er wünscht sich ein Zentrum, in dem die reiche, iranische Kultur, die die Mullahs unterdrücken, wieder vielfältig zum Leben erweckt werden kann. Ihm steht es nicht zu, die Zukunft des Kulturzentrums mitzubestimmen. Es ist das Recht der iranischen Exil-Gemeinschaft. Ein echter und nachhaltiger Friede in Nahost ist ohne den Sturz des Terrorregimes in Teheran nicht möglich, so de Vries in seiner Videobotschaft. Er mahnt an, dass eine Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden, die von ausländischen Staaten gesteuert werden, in Deutschland nicht mehr stattfindet. Außerdem spricht der CDU-Politiker von Missbrauch und Instrumentalisierung unserer grundgesetzlich verbrieften Religionsfreiheit. 1942 sind die Großeltern und Eltern von Armin Levy, Manager von Raawi News, im Einsatz für den interkulturellen und interreligiösen Dialog, als jüdische, osteuropäische Flüchtlinge in den Iran gekommen - heute unvorstellbar, damals ein sicheres Land für JüdInnen auf der Flucht vor dem mörderischen Nazi-Regime. Zuletzt appelliert de Vries an Politik und Politkeresellschaft, eine klare Trennung zwischen Religion und dem, was in der Blauen Moschee stattfand, zu ziehen.

TERRE DES FEMMES steht weiterhin solidarisch an der Seite der Menschen im Iran

Astrid Warburg-Manthey, die u.a. für die TERRE DES FEMMES Städtegruppe Hamburg sowie den Verein Säkularer Islam Hamburg sprach, erinnert an die feministische FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung und möchte, dass bei der Nachnutzung an die vielen Hingerichteten und Überlebenden des Terrorregimes erinnert wird. Insbesondere möchte sie am Tag der Deutschen Einheit auch an die Länder erinnern, die nach Demokratie streben und immer noch von Despoten regiert werden.

Auf der Kundgebung sprachen noch weitere AktivistInnen. Alle Reden sind auf der Webseite der Kulturbrücke Hamburg zu finden.

Die Kundgebung zeigte die vielfältigen Stimmen von gemeinnützigen Organisationen und von Exil-IranerInnen. Im Sinne der FRAU LEBEN FREIHEIT Bewegung heißt es wachsam zu bleiben. 

Mehr Informationen zu unserer Arbeit:

Jin Jiyan Azadî! Das Unrechtsregime Islamische Republik Iran -  Zahlen, Daten, Fakten - Zum 2. Todestag von Jina Mahsa Amini (16.09.2024)

„Wir müssen laut sein und kritisieren!“ - Filmvorführung: „Mina – Der Preis der Freiheit“ (24.10.2023)

Für die Islamische Republik Iran ist die Kopftuchpflicht wie die Berliner Mauer. Wird der staatliche Verhüllungszwang bezwungen, fällt das ganze Regime – Pressekonferenz mit der iranischen Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad (29.11.2023)

Volle Solidarität für die feministische Revolution im Iran und keine Propaganda für das „Kinderkopftuch“– Kundgebung vor dem Islamischen Zentrum Hamburg (03.10.2023)

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